Kapitel 55: Doxing verhindern
Doxing. Wenn jemand deine echte Identität aufdeckt. Deinen Namen. Deine Adresse. Deinen Arbeitsplatz. Und es veröffentlicht. Für alle sichtbar. Klingt nach Albtraum? Ist es auch. Lass uns darüber reden, wie du das verhinderst.
Doxing kommt von "docs" (Dokumente). Jemand sammelt Informationen über dich. Puzzle-Teile aus dem Internet. Social Media. Öffentliche Datenbanken. Fehler, die du gemacht hast.
Und dann? Veröffentlicht er alles. In einem Forum. Auf Twitter. In einer Telegram-Gruppe.
Plötzlich wissen alle, wer du bist.
Warum passiert Doxing?
Gründe gibt's viele. Rache. Eifersucht. Stalking. Oder einfach nur, weil jemand kann.
Content Creators sind beliebte Ziele. Du verkaufst Fußbilder. Jemand ist besessen. Will mehr wissen. Fängt an zu recherchieren.
Oder schlimmer: Ein Kunde fühlt sich betrogen. Wird wütend. Und beschließt, dich zu "bestrafen".
Es braucht nicht viel. Einen falschen Post. Eine Spur. Einen Fehler.
Wie Doxing funktioniert — die Methoden
Leute, die doxen, sind oft erschreckend gut darin. Sie nutzen alle verfügbaren Infos. Kombinieren sie. Bis sie dich haben.
1. Social Media Recherche
Du hast vor Jahren ein Foto gepostet. Mit deinem echten Namen. Es ist noch online. Irgendwo. Archived. Jemand findet es.
2. Username-Verknüpfungen
Du nutzt denselben Username auf mehreren Plattformen. Einer davon ist mit deinem echten Profil verbunden. Boom. Gefunden.
3. Metadata in Bildern
Du hast vergessen, GPS-Daten zu entfernen. Jemand lädt das Bild herunter. Checkt die Metadata. Weiß jetzt, wo du wohnst.
4. Öffentliche Datenbanken
Telefonbuch. Handelsregister. Grundbuch. Alles öffentlich. Mit deinem Namen kann jemand deine Adresse finden.
5. Reverse Image Search
Ein Bild von dir. Hochgeladen bei Google. Findet alle anderen Bilder von dir. Auch die mit deinem echten Namen.
6. WHOIS-Lookups (bei eigener Website)
Du hast eine Domain registriert. Ohne Privacy-Protection. WHOIS zeigt deinen Namen, Adresse, Email.
7. Social Engineering
Jemand gibt sich als Kunde aus. Fragt geschickt. "Wo wohnst du ungefähr? Ich bin auch aus der Gegend!" Du antwortest. Fehler.
Regel Nummer 1: Trenne deine Identitäten komplett
Das wichtigste Prinzip. Dein echtes Leben und dein Creator-Leben dürfen sich NIEMALS überschneiden.
Das bedeutet:
- Neue Email-Adresse (nicht deine Haupt-Email)
- Neuer Username (nirgendwo sonst verwendet)
- Separate Zahlungsmethoden (nicht dein Haupt-PayPal)
- Keine Verbindung zu echten Social-Media-Accounts
- Keine Freunde/Familie followen oder erwähnen
Eine Überschneidung reicht. Ein Link. Ein Name. Und alles fällt auseinander.
Usernames — die häufigste Schwachstelle
Du denkst dir einen coolen Username aus. Nutzt ihn überall. Instagram. Reddit. OnlyFans. TikTok.
Auf einem dieser Accounts? Dein echter Name. Vielleicht von vor Jahren. Vergessen.
Jemand googelt deinen Username. Findet den alten Account. Findet dich.
Wie schützen?
- Eindeutige Usernames: Nutze für Creator-Aktivitäten einen komplett neuen Namen. Nirgendwo sonst verwendet.
- Google dich selbst: Suche nach deinem Username. Was findest du? Alte Accounts? Lösch sie.
- Tools nutzen: namechk.com, knowem.com — zeigen, wo dein Username verwendet wird.
Email-Adressen — die unterschätzte Spur
Deine Email-Adresse ist oft mehr wert als du denkst. Leute können:
- Nach ihr googeln (findet alte Forum-Posts, Registrierungen, etc.)
- Sie bei "Have I Been Pwned" checken (zeigt, wo sie geleaked wurde)
- Sie für "Passwort vergessen"-Tricks nutzen (zeigt manchmal Teile des Namens)
Lösung:
- Separate Email nur für Creator-Aktivitäten
- ProtonMail oder Tutanota (verschlüsselt, anonym)
- Niemals mit echtem Namen registrieren
Zahlungsdaten — folge dem Geld
PayPal. Kreditkarte. Überweisungen. Alles hinterlässt Spuren. Dein echter Name taucht auf.
Ein Kunde bekommt eine Zahlung von dir zurück. Sieht deinen echten Namen auf dem Kontoauszug. Googelt ihn.
Gefunden.
Wie schützen?
- Separates PayPal-Konto: Mit Business-Namen, nicht deinem echten.
- Prepaid-Kreditkarten: Anonym erhältlich, keine Verbindung zu deinem Hauptkonto.
- Crypto: Bitcoin, Monero — anonym (mit Vorsicht), aber kompliziert.
- Wise (ehemals TransferWise): Geschäftskonto mit anderem Namen möglich.
WHOIS & Domain-Registrierung
Du kaufst eine Domain für deine Creator-Website. Registrierst sie mit deinem echten Namen.
Jemand macht einen WHOIS-Lookup. Sieht deinen Namen. Deine Adresse. Deine Telefonnummer.
Oops.
Lösung:
- WHOIS Privacy Protection: Die meisten Domain-Anbieter bieten das an (manchmal kostenlos). Deine Daten werden versteckt.
- Fake-Daten nutzen: Nicht zu empfehlen (teilweise illegal), aber manche tun's.
- Anonyme Domain-Anbieter: Njalla, OrangeWebsite — spezialisiert auf Privacy.
Öffentliche Datenbanken — was steht über dich drin?
In Deutschland, Österreich, Schweiz gibt's öffentliche Datenbanken:
- Telefonbuch: Dein Name, Adresse, Telefonnummer.
- Handelsregister: Falls du ein Gewerbe hast.
- Grundbuch: Wenn du Immobilien besitzt (teilweise öffentlich).
Was tun?
- Aus Telefonbuch austragen lassen: Bei den meisten Anbietern möglich.
- Google nach dir selbst: "Dein Name + Wohnort". Was kommt? Wenn möglich, entfernen lassen.
- Impressumspflicht umgehen: Mit Impressumsservice (siehe Kapitel 59).
Social Engineering — der menschliche Faktor
Technologie kannst du austricksen. Menschen? Schwieriger.
Jemand schreibt dir. Netter Kunde. Stellt Fragen. Scheinbar harmlos.
- "Wo kommst du her? Ich bin auch aus [Stadt]!"
- "Was machst du beruflich sonst so?"
- "Hast du Geschwister?"
Du antwortest. Baust Vertrauen auf. Gibst kleine Details preis. Er kombiniert sie. Googelt. Findet dich.
Regel:
- Keine persönlichen Infos. Niemals.
- Bleib vage. "Ich komm aus Deutschland" statt "Ich wohn in München".
- Vertraue niemandem vollständig.
Bilder — der stille Verräter
Wir haben das in anderen Kapiteln besprochen. Aber es ist so wichtig, dass ich's nochmal sage:
- Metadata entfernen (GPS, Datum, Kamera-Info)
- Hintergrund checken (Briefe, Schilder, persönliche Gegenstände)
- Reflektionen prüfen (Spiegel, Fenster, glänzende Flächen)
- Tattoos abdecken (einzigartig, identifizierbar)
Ein Fehler reicht.
Alte Posts & Archive
Du denkst, du hast alles gelöscht. Aber das Internet vergisst nicht.
Archive.org (Wayback Machine) speichert alte Versionen von Websites. Reddit-Posts sind archiviert. Twitter-Threads auch.
Was tun?
- Archive.org ausschließen: Mit robots.txt. Aber alte Snapshots bleiben.
- Entfernung beantragen: Bei Archive.org möglich. Aufwendig, aber machbar.
- Reddit/Twitter: Nutze Tools wie "Shreddit" oder "TweetDelete" um alte Posts zu löschen. Aber Archived-Versionen bleiben oft.
Google Dich — regelmäßig
Mindestens einmal im Monat. Suche nach:
- Deinem echten Namen
- Deinem Creator-Username
- Deiner Email-Adresse
- Alten Usernames, die du mal genutzt hast
Was findest du? Alte Accounts? Forum-Posts? Bilder? Lösch sie. Oder lass sie entfernen.
Google-Ergebnisse entfernen lassen
Du findest ein Suchergebnis mit deinem Namen. Unerwünscht. Kann man was machen?
Ja. Manchmal.
DSGVO (Europa):
- Du hast ein "Recht auf Vergessenwerden"
- Google-Formular ausfüllen: "Entfernung von Inhalten aus Google"
- Begründung: Datenschutz, persönliche Infos, etc.
- Dauert Wochen. Funktioniert nicht immer. Aber einen Versuch wert.
Außerhalb Europas:
- Schwieriger. Aber bei persönlichen Daten (Adresse, Telefon) manchmal möglich.
Freunde & Familie — das schwächste Glied
Du bist vorsichtig. Aber deine Freunde? Posten ein Foto von euch. Taggen dich. Mit deinem echten Namen.
Jemand sieht das Foto. Reverse Image Search. Findet dich. Verbindung hergestellt.
Lösung:
- Rede mit ihnen. Erkläre, dass du nicht getaggt werden willst. Keine Fotos von dir.
- Facebook/Instagram-Einstellungen: Deaktiviere, dass andere dich taggen können.
- Vorsicht bei Treffen: Keine Selfies mit Freunden, die sie online posten könnten.
Telefonnummern — die unterschätzte Gefahr
Du gibst einem Kunden deine Nummer. Er googelt sie. Findet alte Accounts, wo du sie angegeben hast. Mit deinem echten Namen.
Lösung:
- Separate Nummer: Prepaid-SIM nur für Creator-Aktivitäten.
- Google Voice / Skype-Nummer: Virtuelle Nummern, nicht deine echte.
- Nie die Hauptnummer rausgeben.
Checkliste — bist du sicher?
- Separate Email für Creator-Aktivitäten?
- Eindeutiger Username, nirgendwo sonst verwendet?
- Zahlungsmethoden getrennt?
- Keine Verbindung zu echten Social-Media-Accounts?
- WHOIS Privacy bei Domains aktiviert?
- Alte Posts/Accounts gelöscht?
- Metadata aus allen Bildern entfernt?
- Hintergrund/Reflektionen gecheckt?
- Regelmäßig nach dir selbst gegoogelt?
- Freunde/Familie gebrieft?
Alles gecheckt? Gut. Aber bleib wachsam.
Tools, die helfen
- namechk.com: Zeigt, wo dein Username verwendet wird.
- haveibeenpwned.com: Checkt, ob deine Email geleaked wurde.
- Google Alerts: Benachrichtigt dich, wenn dein Name online auftaucht.
- PimEyes: Findet Fotos von dir (gruselig, aber nützlich zum Checken).
Zusammenfassung
Doxing ist real. Es passiert. Auch Content Creators. Auch dir, wenn du nicht aufpasst.
Aber du kannst dich schützen. Trenne deine Identitäten. Sei paranoid. Checke regelmäßig. Mach keine Fehler.
Ist es aufwendig? Ja. Ist es nervig? Ja. Aber es ist nötig.
Deine Sicherheit ist unbezahlbar.